Heute ist Muttertag. Ein Tag an dem man seiner Mutter danken
soll und ihr zeigen, wie lieb man sie hat. Seit Wochen sieht und liest man
überall Werbung der Industrie, dass am 13. Mai Muttertag ist. Aber was ist mit
dem Menschen, die kein gutes Verhältnis oder gar keinen Kontakt mehr zu ihrer
Mutter haben? So geht es auch mir – ich habe überwiegend nur schlechte
Erinnerungen an meine Mutter. Seit längerer Zeit spiele ich mit dem Gedanken,
ihr einen Brief zu schreiben, um ihr meine Sichtweise meiner Kindheit mal
klarzumachen.
Ich denke, dieser Blogeintrag ist der erste Weg der
Aufarbeitung und sicherlich auch ein Weg für mich, mit all dem Mist in der
Vergangenheit abzuschließen. Weniger meiner Erinnerungen am meine Kindheit in
Verbindung mit meiner Mutter sind positiv. Ich erinnere mich an Schläge mit
einem Teppichklopfer und einem Holzkochlöffel, der aufgrund der Wucht dann
gebrochen ist. Auch erinnere ich mich an die verletzenden Worte meiner Mutter
„Du dummes Stück Scheiße“ oder „du fettes Schwein“. Diese Worte trafen mich
mehr als die körperliche Gewalt. Und an diesen Worten habe ich heute noch zu
knabbern.
Doch wie kann es soweit kommen, dass eine Mutter ihr Kind so
behandelt? Lange war es mir auch selbst nicht klar. Doch im letzten Jahr hatte
ich ein sehr langes Gespräch mit meinem Vater, bevor er ins Krankenhaus kam, um
wegen Lungenkrebs operiert zu werden. Er erzählte mir, dass ich als Kind eher
ein Unfall war. Ist ja nicht weiter schlimm – man kann sein Kind dennoch lieb
haben. Für meinen Vater war ich auch ein Wunschkind – und das habe ich auch
immer gespürt. Er war kein Mann der großen Worte, aber ich habe auch so
gemerkt, dass er mich sehr lieb hatte und mir vieles im Leben erleichtert hat.
Ganz anders war es bei der Frau, die mir das Leben schenkte.
Ich erfuhr, dass sie bereits vor mir einmal schwanger war und das Kind hat
abtreiben lassen. Bei mir war es wohl zu spät oder was auch immer es war, mich
zu bekommen, weiß ich nicht genau. Aber ich war eben von ihrer Seite aus nicht
gewollt und das habe ich auch als Kind immer gespürt. Liebe und mütterliche
Gefühle wurden ersetzt durch Oberflächlichkeiten und teure Geschenke zum
Geburtstag und Weihnachten. Jedoch damit kann man sich keine Liebe kaufen. Das
hat diese Frau aber bis heute nicht begriffen.
Zum Zeitpunkt meiner Geburt waren meine Eltern nicht
verheiratet, was bei den Großeltern meiner Mutter nicht gut ankam. So wurde in
meinem zweiten Lebensjahr geheiratet – mit Druck der Großeltern. Die
Hochzeitsreise musste dann aufgrund gesundheitlicher Probleme bei meinem Dad
abgebrochen werden. Ein weiterer trauriger Punkt ist, dass es nicht viele Fotos
aus meiner Kindheit gibt und viele sind nur mit meinem Vater. Meine Mutter
wollte mir lange Zeit keine Fotos aus meiner Kindheit geben. So nahm ich dann selbst
die Suche auf und besitze heute einige wenige Fotos, die mich mit meinem Vater
zeigen.
Das Hochzeitsfoto meiner Eltern hab ich das erste Mal mit 30
gesehen, als meine Oma mir das Foto zeigte. Zu Hause wurde das Foto weder
gezeigt noch aufgestellt. Je älter ich wurde, bekam ich immer mehr den
Eindruck, dass meine Eltern nur nebeneinander her lebten und mein Dad wohl nur
wegen mir mit der Frau zusammengeblieben ist. Oft habe ich ihm erklärt, dass
wenn er nicht glücklich ist, solle er sich doch scheiden lassen. Doch diesen
Schritt ging er nie. Zu jeder Beziehung gehören natürlich immer 2 Menschen –
daher muss ich seine Entscheidung auch akzeptieren, auch wenn ich sie bis heute
nicht nachvollziehen kann.
Nachdem das Verhalten meiner Mutter auch im Erwachsenenalter
mir gegenüber nicht besser wurde, bin ich dann ausgezogen. Ich gab ihr auch
meine neue Adresse oder Telefonnummer nicht, da ich keinen Kontakt mehr wollte.
Den Kontakt zu meinem Vater behielt ich aber aufrecht. Als ich dann Thomas
kennenlernte, wollte ich ihn natürlich auch meinem Vater irgendwann vorstellen.
Das tat ich dann auch. Ich dachte, dass mein Dad mit dieser neuen Tatsache
nicht zu Recht kommen würde – aber ich täuschte mich. Er sagte: „Ich hätte mir
lieber eine Schwiegertochter gewünscht. Aber wenn du glücklich bist, bin ich es
auch.“ Meine Mutter ignorierte mich und damit Thomas auch weiterhin. Dass wir
uns regelmäßig mit meinem Dad trafen, störte sie gewaltig. Irgendwann sprach
sie mal einige Worte mit uns, weil sie merkte, dass wir zu dritt auch ohne sie
klar kommen und sie sich wohl ausgeschlossen fühlte.
Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass sie sich eines
Besseren belehren ließ und ihr Verhalten sich ändern würde. Doch weit gefehlt.
Als mein Dad nach der Lungenkrebs OP einen Schlaganfall erlitt und halbseitig
gelähmt im Krankenhaus lag, besuchten Thomas und ich ihn einige Male zusammen
und brachten ihm Fotos von uns beiden mit, die wir im seinem Krankenzimmer
aufhängten. Als wir dann das nächste Mal da waren, waren die Fotos nicht mehr
da. Auf meine Nachfrage bei den Stationsschwestern wurde uns erklärt, dass
seine Frau die Fotos abgemacht und weggeworfen hatte.
Ich kann nicht verstehen, wie man so bösartig sein kann.
Thomas war auch in dieser Seite eine sehr große Hilfe und
Stütze für mich. Als mein Dad dann Ende des Jahres verstarb, fühlte ich weniger
Trauer um seinen Verlust, sondern eher Erleichterung, dass er sich nun nicht
mehr mit dieser Frau abgeben muss. Er ist jetzt frei von dieser Bürde.
Ich habe heute noch mit vielen schlechten Verhaltensweisen
aus meiner Kindheit zu kämpfen. So fällt es mir schwer, eigene Fehler zu
erkennen und mich dann dafür auch zu entschuldigen. Immer wenn es Streit mit
meiner Mutter gab, wurde sich nicht drüber vernünftig unterhalten, sondern die
Sache mehrere Wochen totgeschwiegen. Egal wer den Streit verursacht hatte,
meine Mutter hat sich in all den Jahren nicht einmal entschuldigt, weder für
ihr Verhalten noch für die Schläge.
In einem unserer letzten normalen Gespräche schilderte ich
ihr meine Erinnerungen an meine Kindheit, wie ich sie euch hier beschrieben
habe. Ihr Kommentar dazu war nur: “du hast doch eine glückliche Kindheit gehabt“.
Und ich denke, sie meinte das ernst. Wahrscheinlich ist das eine Art
Selbstschutz ihrerseits, falsch gemacht hat sie ja nichts, ihrer Meinung nach.
Warum sollte sie das jetzt zugeben.
Aber auch ich habe endlich mit Thomas Mutter Gitti eine
Mutter gefunden, so wie ich mir eine Mutter vorstelle – liebevoll, interessiert
an den Sachen, die ich mache und immer für mich da, wenn ich mal eine Schulter
zum anlehnen brauche. Sie war da, in dem Moment, als ich vom Tod meines Vaters
erfuhr und spendete mir Trost.
Zusätzlich habe ich noch Thomas Tante Inge dazu bekommen,
die ebenfalls sehr viel von einer Mutter für mich hat. Alleine sind beide schon
toll, zusammen aber unschlagbar als Familie.
Ich denke oft daran,
warum ich keine normale Mutter, wie viele andere Menschen haben konnte.
Sicherlich wäre Vieles leichter gewesen. Aber ich kann es nicht mehr ändern und
habe mit Gitti und Inge nicht einfach Ersatz gefunden, sondern endlich eine
Familie bekommen.
In diesem Sinne wünsche ich den Leute, die es nicht einfach
mit ihrer Mutter oder keine mehr haben, viel Kraft und einen klaren Blick nach
vorn. Ihr habt es euch verdient, geliebt zu werden.