Montag, 9. November 2009

Wir sind ein Volk

20 Jahre ist es nun her, dass Deutschland durch einen 1393 Kilometer langen Todesstreifen getrennt war. 20 Jahre, dass in Berlin die Mauer geöffnet wurde. 20 Jahre, in denen sich so viel geändert hat – für Deutschland, für die Welt und für mich.


Doch die Geschehnisse, die zur Wiedervereinigung führten, begannen schon viel früher und nicht in Deutschland. Am 1. Oktober 1989 fuhr die Deutsche Reichsbahn mehr als 1200 DDR Flüchtlinge von Prag nach Hof. Diese Flüchtlinge hatten wochenlang in und vor der Prager Botschaft auf ihre Ausreise in die BRD gehofft und gebangt. Das am Ende sich alles zum Guten wenden würde, war zu diesem Zeitpunkt mehr als ungewiss. Dies war nur der Anfang einer Reihe von Ereignissen, bei dem die Wende und der Mauerfall das Resultat darstellten.


An die Bilder, wie die Trabbis dann gen Westen rollten und die DDR Bürger überschwänglich im Westen begrüßt wurden, kann sich wohl jeder noch erinnern. Und trotzdem gibt es viele unerzählte Geschichten, denn jeder einzelne Bewohner der DDR seine ganz eigene Wiedervereinigungsgeschichte zu erzählen.


Zum Zeitpunkt der Wende war ich gerade 12 Jahre alt. Die Montagsdemos in Leipzig und Co. konnte ich nur am Fernsehbildschirm verfolgen. Ich wohnte in einem 300 Seelendorf nahe der Grenze zum heutigen Schleswig Holstein und das Grenz-Sperrgebiet war nicht mehr als 1 km von meinem Elternhaus entfernt. Und dennoch war diese Umbruchsphase für mich sehr unnahbar.



Was ich noch genau weiß, ist die Tatsache, dass ich mich sehr ärgerte, kein FDJler mehr werden zu können. Gerade im Alter zwischen 12 und 13 Jahren wurde man in der DDR vom Jungpionier zum FDJler, mit einem blauen FDJ Hemd und dem gelben Halstuch. Das blieb mir aufgrund der Wende verwehrt. Aber 20 Jahre später betrachtet, kann ich heute gut auf die FDJ verzichten und genieße lieber die Vorzüge der westlichen Marktwirtschaft.


Die Öffnung der Grenzen und die aufkommende Reisewelle in den Westen bekamen wir ganz genau mit. Unser Haus lag bereits damals an einer Bundesstrasse und daher auf dem direkten Weg gen Westen. Wochenlang stauten sich die Trabbis, Ladas und Wartburgs vor unserer Haustür. Oft klingelten fremde Menschen an unserer Tür und fragten nach Kaffee oder ob sie mal auf Toilette dürften. Gern boten wir diesen Menschen unsere Gastfreundlichkeit an, denn der Grenzübergang war noch rund 22 Kilometer entfernt.


Mein erster Besuch im “Westen“ zögerte sich bis in den Dezember hinaus, da wir einfach keine Lust auf diesen kilometerlangen Stau hatten. Kurz vor der Weihnachtszeit fuhren wir mit unserem roten Lada nach Lübeck. Die ganze Stadt glänzte und leuchtete im Weihnachtsflair und unser erster Weg führte zur Dt. Bank, um dort unser Begrüßungsgeld von 100 DM in Empfang zu nehmen.



Auch weiß ich noch genau, was ich mir davon kaufte – einen Kassettenrekorder und einige KINDER Überraschungseier. In den darauffolgenden Wochen fuhren wir immer öfters zum Einkaufen nach Lübeck und die westliche Konsumgesellschaft zog uns immer mehr in ihren Bann.


Im Laufe der Jahre wurden diese Dinge selbstverständlich – ich ging aufs Gymnasium und zur Bundeswehr. Dann folgten meine Ausbildung bei VW und mein erstes Auto. Wenn ich bedenke, dass meine Eltern bis zu 10 Jahre auf ein Auto warten mussten und wir nie einen Telefonanschluss hatten, war ich mehr als froh, ein Kind der Wende zu sein.


Um ehrlich zu sein, hätte ich nicht den Mut gehabt, mich an den Montags-Demos zu beteiligen, beschweige denn vor der Prager Botschaft um die Ausweisung zu kämpfen. Daher bin ich den mutigen Menschen, die diesen Mut und die Kraft zum durchhalten aufbrachten, mehr als dankbar. Denn Nutznießer dieses Kampfes sind wir alle – egal ob Ost- oder Westdeutsche. Deutschland war und ist ein Land was zusammengehört, sowohl auf dem Papier als auch in den Köpfen der Menschen.



Aktuell gibt es für mich einen Grund mehr, der Wende Tribut zu zollen. Ohne die Wende hätte ich nie meinen Schatz kennenlernen können. Ohne die Wende müsste ich auf so viele schöne (und gemeinsame) Momente mit meinem Schatz verzichten und hätte nie die Liebe meines Lebens kennengelernt.


Und während in diesen Minuten in Berlin das 20jährige Jubiläum des Mauerfalls gefeiert wird, schwelge ich in Erinnerung über meine Wende, die letzten 20 Jahre und über die kommenden Momente, die erst durch den Mauerfall ermöglicht werden.

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